Das Fach Erziehungswissenschaft (Pädagogik) stellt sich vor
In welchem Umfang wird das Fach Erziehungswissenschaft angeboten?
Am Gymnasium Baesweiler wird Erziehungswissenschaft in der Einführungsphase der gymnasialen Oberstufe (EF) als neu einsetzendes Fach in Grundkursen (3stündig) und ab der Qualifikationsphase 1 (Q1) in Grund- und Leistungskursen (5stündig) angeboten. Zwischen beiden Kursarten besteht hinsichtlich des allgemeinen Anspruchsniveaus kein prinzipieller Unterschied. Die höhere Wochenstundenzahl im Leistungskurs erlaubt es jedoch, Themen breiter zu behandeln und einzelne Aspekte zu vertiefen.
Worin liegen die Besonderheiten des Faches Erziehungswissenschaft?
Das Fach ist dem gesellschaftswissenschaftlichen Aufgabenfeld zugeordnet. Während sich zum Beispiel das Fach Erdkunde mit den Lebensbedingungen des Menschen vor allem in Bezug auf die physikalischen Aspekte seiner Umwelt (Lebensraum) auseinandersetzt, liegt der Akzent in den Fächern Sozialwissenschaften und Erziehungswissenschaft stärker auf den soziokulturellen Aspekten der Umwelt. Die Sozialwissenschaften sind dabei vor allem an der umfassenden Analyse unseres Gesellschaftssystems interessiert, während in der Erziehungswissenschaft der Schwerpunkt auf dem konkreten Handeln am Menschen innerhalb dieses Gesellschaftssystems liegt. Dies bedeutet aber nicht unbedingt, dass der sozialwissenschaftliche Unterricht grundsätzlich abstrakter ist. Die sozialen Phänomene werden dort häufig an Fallbeispielen verdeutlicht. Solche Fallbeispiele stellen zwar im Allgemeinen die Grundlage des Pädagogikunterrichts dar, zu deren Verständnis ist aber die Auseinandersetzung mit abstrakteren, theoretischen Texten unverzichtbar.
Was ist der zentrale Gegenstand des Faches Erziehungswissenschaft?
Die Leitfrage für die dreijährige Beschäftigung mit Erziehungsproblemen lautet:
Wie kann der Erzieher die Persönlichkeit des Menschen - in der Regel des jüngeren Menschen - fördern?
Insofern kann man Erziehung als einen Sonderfall unter den vielfältigen Versuchen von Menschen betrachten, das Verhalten anderer Menschen zu beeinflussen. Der derzeit gültige Lehrplan für den Pädagogikunterricht sieht verbindliche Halbjahresthemen vor, die jedoch einen breiten Spielraum der Konkretisierung eröffnen.
Mit welchen Materialien wird im erziehungswissenschaftlichen Unterricht gearbeitet?
Die im Unterricht eingesetzten Materialien sind sehr vielfältig. Die Schüler können eigene Erfahrungen aus der Sicht desjenigen, der erzogen wurde, einbringen, man analysiert und diskutiert durch andere vermittelte Erfahrungen mit Erziehung, wie sie z.B. in Zeitschriftenartikel, literarischen Texten, Liedern, Karikaturen, Filmen, Fernsehsendungen und fachwissenschaftlichen Beiträgen zu finden sind, man interpretiert Statistiken oder Experimente bzw. führt selber Experimente durch und setzt sich mitunter auch mit den Gedanken "berühmter Pädagogen" auseinander.
Wie sehen Klausuren im Fach Erziehungswissenschaft aus?
In den Klausuren, die in Anspruch, Umfang und Form den Klausuren der weiteren Fächer des gesellschaftswissenschaftlichen Bereichs entsprechen, ist in der Regel ein pädagogisches Problem oder die Auffassung eines Autors zu einem pädagogischen Sachverhalt zu beschreiben (Textverständnis) und mit Hilfe von im Unterricht erarbeiteten Kategorien detailliert zu analysieren sowie in einem weiteren Schritt zu bewerten (kritische Stellungnahme oder Entwicklung von konkreten Handlungsvorschlägen).
Für welche Schüler ist das Fach Erziehungswissenschaft besonders bzw. weniger geeignet?
Die fachlichen Inhalte sind breit gestreut und ihre Aneignung setzt nicht - wie dies in bestimmten anderen Disziplinen der Fall sein mag - eine deutliche Spezialbegabung voraus. Bei der Analyse von Statistiken kommt man auch im Pädagogikunterricht um den ein oder anderen mathematischen Begriff nicht herum, den man aber auch verstehen dürfte, wenn man kein Mathematikgenie ist. Der Erwerb einer umfangreichen Fachterminologie (Fremdwörter) ist einerseits unumgänglich, andererseits nicht im Geringsten mit der Anzahl von "Fremdwörtern" zu vergleichen, die man sich als neue Vokabeln täglich einprägen muss, wenn man eine Fremdsprache erlernt. Da Erziehung aber im Wesentlichen über Sprache abläuft und Erziehungssituationen im Unterricht meist in sprachlich vermittelter Form thematisiert werden, haben vor allem solche Schüler im Fach Pädagogik gute Erfolgsaussichten, die - etwa im Deutschunterricht - die Erfahrung gemacht haben, dass ihnen der mündliche und schriftliche Umgang mit Texten liegt und sie gerne engagiert diskutieren, sofern sie überhaupt am Umgang mit Menschen interessiert sind. Zudem erweist sich eine gewisse Weltoffenheit, auch politischen Aspekten gegenüber, als hilfreich. Der relativ unproblematische Einstieg in das Fach darf allerdings nicht darüber hinweg täuschen, dass auch hier gute Noten nur bei einem entsprechenden Arbeitseinsatz zu erzielen sind, der den Anforderungen anderer Fächer in nichts nachsteht. Wenn also die einzige Motivation für die Wahl des Faches die Vorstellung ist, mit geringerem Aufwand als in anderen Fächern gute Noten zu erzielen, so muss von dieser Wahl dringend abgeraten werden; entsprechende Erwartungen werden mit hoher Wahrscheinlichkeit enttäuscht werden.
Was kann das Fach Erziehungswissenschaft für die eigene Persönlichkeitsentwicklung letztlich leisten?
Man erfährt viel über sich selbst und den Umgang mit anderen Menschen. Dies wird zum einen hilfreich sein bei der Übernahme der Erzieherrolle, die für die Mehrzahl der Schülerinnen und Schüler im weiteren Lebensverlauf einmal ansteht, zum anderen im späteren Berufsleben, und zwar nicht nur dann, wenn man einen pädagogischen Beruf anstrebt. Vielmehr verlangt im Prinzip jeder qualifizierte Beruf eine gewisse Befähigung zur Menschenführung.
Allerdings ist pädagogisches Wissen sehr vielschichtig und nicht wie ein Kochrezept umsetzbar. In pädagogisches Handeln fließen einerseits Wertentscheidungen bzw. Normvorstellungen sowie andererseits unterschiedliche, nicht immer überprüfbare Sichtweisen der Realität ein, so dass die Lösungsmenge eines pädagogischen Problems grundsätzlich kaum eindeutig sein wird; in der Regel wird sogar der Begründungszusammenhang, der zu einer Lösung gegeben wird, eine größere Rolle spielen als die Lösung selbst. Diese "Unsicherheit des Wissens" gilt es aushalten zu können. Nach einem knapp dreijährigen Pädagogikunterricht in der Oberstufe wird man gleichwohl mit Sicherheit in der Lage sein, ein pädagogisches Problem differenzierter zu beschreiben, zu analysieren und zu bewerten bzw. entsprechende Handlungsempfehlungen zu geben als ohne einen solchen Unterricht. Ob man damit in der Praxis automatisch zu einem besseren Erzieher wird, muss dahingestellt bleiben. Aufgrund der erworbenen Kenntnisse und Fertigkeiten erscheint dies zwar wahrscheinlich, kann andererseits aber nicht garantiert werden.