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Wie aus Setterich „Plünderich“ wird

In seinem ersten Spielfilm behandelt Tim Kochs eines der kontroversesten Themen der Region. Ab Sommer im Kino.

VON LILLITH BARTCZAK

BAESWEILER Ein schmuddeliger Sonntag im November. Im Internationalen Technologie- und Service-Center (ITS) in Baesweiler herrscht reges Treiben. Helle Scheinwerfer beleuchten die Fassade des Bürokomplexes. Der Empfangsbereich ist vollgestopft mit technischem Equipment, in der Mitte des Raums sind mehrere Campingstühle und Sessel um einen Monitor gruppiert. Auf einem davon sitzt Tim Kochs. Der 32-Jährige ist Regisseur und hier wird gerade eine Szene seines Films „Plünderich“ gedreht, der im Sommer in die Kinos kommen soll.

Marcel und Franca

Im Zentrum der Komödie, die vom WDR koproduziert und von der Film- und Medienstiftung NRW gefördert wird, stehen die Geschwister Marcel und Franca, die am Rande eines Tagebaus groß geworden sind. Während Karrierist Marcel sich mit einer Hightech-Villa in dem umgesiedelten Neu-Plünderich am See ein Denkmal setzen möchte, will Franca ihr Familienheim nicht aufgeben und tüftelt dort an einer Erfindung, die das Haus autark machen soll. Denn wer muss noch Dörfer wegbaggern, wenn die Energiequelle Kohle überflüssig ist? Mutter Angelika gerät zwischen die Fronten.

Kochs möchte in seinem Film so viele unterschiedliche Standpunkte wie möglich darlegen – der Strukturwandel ist nun mal eines der kontroversesten Themen der Region. „Ich glaube, man kann sich den Transformationsprozess nicht vorstellen, wenn man ihn nicht selbst erlebt hat“, sagt Kochs und ergänzt: „Ich wollte einen Film machen, der zwar lustig ist, aber auch ehrlich erzählt, was die Leute vor Ort erleben.“

„Ich kenne die Leute hier. Deshalb war es einfacher, an Drehorte zu kommen.“
Tim Kochs, Regisseur

Für das Drehbuch hat Tim Kochs monatelang in der Region recherchiert. Nach seinem Studium am Brooks Institute of Photography in Kalifornien und der Film- und Fernsehakademie Berlin war das für den Regisseur auch eine Rückkehr zu den eigenen Wurzeln: Kochs ist in Setterich aufgewachsen und hat sein Abitur am Gymnasium Baesweiler gemacht.

An seine Kindheit erinnert sich der Regisseur heute gerne zurück, vor allem das Aufwachsen in einer Großfamilie zwischen Onkel, Tanten, Cousins und Cousine habe ihn sehr geprägt. „Ich habe mich immer umsorgt gefühlt, und es war nie langweilig“, beschreibt er.

Stillsitzen und leise sein waren für den damals überaus wissbegierigen Jungen nicht so einfach. Während ihn das in der Schule hin- und wieder in die Bredouille brachte, fand er in seiner Verwandtschaft immer ein offenes Ohr für seine vielen Fragen: „Mein Onkel ist Lehrer für Geschichte, Politik und Deutsch. Er hat mir wahnsinnig viel beigebracht. Als 12- oder 13-Jähriger habe ich manchmal stundenlang mit ihm telefoniert und über Geschichte oder Literatur gesprochen.“

Seine Liebe zum Film wurde ebenfalls durch ein Familienmitglied entfacht, genauer gesagt eine Tante, die für ihn und seine Schwester Winnetou-Filme auf VHS-Kassette aufzeichnete. „Sie konnte sogar die Werbung rausschneiden, das hat mich wahnsinnig fasziniert“, lacht Kochs. Mit seiner Schwester spielte er die Szenen anschließend im Wohnzimmer nach.

Dass seine Heimat ihm nun als Kulisse für seinen ersten eigenen Langfilm dient, hat allerdings nicht nur mit seiner starken Heimatverbundenheit zu tun, sondern auch mit einer großen Portion Pragmatismus: „Ich kenne die Leute hier. Deshalb war es einfacher, an Drehorte zu kommen“, erklärt er. So dienten neben dem bereits erwähnten ITS in Baesweiler etwa auch Wohnhäuser in Setterich und Oidtweiler als Filmsets.

Dreharbeiten sind abgeschlossen

Seit Mitte Dezember sind die Dreharbeiten zu „Plünderich“ nun abgeschlossen. Der Region den Rücken kehren wird Tim Kochs aber wohl erst mal nicht. Auch weil ihm noch tausende Geschichten im Kopf herumschwirren, die es sich hier zu erzählen lohnt: „Das Schöne ist hier ja beispielsweise auch die Nähe zu den Niederlanden und Belgien. Ich würde total gerne mal einen grenz-
übergreifenden Film machen, der das widerspiegelt.“ Man darf also schon auf Tim Kochs nächstes Filmprojekt gespannt sein.

INFO

Die Produktion von „Plünderich“

„Plünderich“ wird mit 450.000 Euro von der Film- und Medienstiftung NRW gefördert und vom Westdeutschen Rundfunk koproduziert. Das Drehbuch entstand in Zusammenarbeit mit dem Filmproduzenten Konstantin Koewius. Gemeinsam mit Konstantin Koewius und seinem Bruder Maximilian hat Tim Kochs die Filmproduktion Tikoma mit Sitz in Düsseldorf gegründet. Tikoma setzt sich aus den Anfangsbuchstaben der Namen von Kochs und den Koewius-Brüdern zusammen.

Erschienen in der Aachener Zeitung, 04.01.2022