Mit G9 wieder kindgerechter in der Schule lernen
Wilhelm Merschen, Leiter des Baesweiler Gymnasiums, äußert sich zur von der Landesregierung geplanten Rückkehr zum Abitur nach neun gymnasialen Jahren
Von Günther von Fricken
BAESWEILER. Die Leitentscheidung der CDU/FDP-Landesregierung, wonach die Gymnasien in NRW ab dem Schuljahr 2019/2020 für Fünft- und Sechstklässler zum Abitur nach neun Jahren zurückkehren, steht fest. Wir sprachen mit Wilhelm Merschen, Leiter des Gymnasiums in Baesweiler.
Wird dann Ihrer Meinung nach die Rückkehr zu G9 ein wichtiges Auswahlkriterium bei der anstehenden Schulanmeldung sein?
Merschen: Da nach meiner Kenntnis kein Gymnasium in der näheren Umgebung bei G8 bleiben wird, haben die Eltern eben nicht die Qual der Wahl. Ich hatte bei unserem „Tag der offenen Tür“ im November letzten Jahres das Gefühl, dass viele Eltern sehr erleichtert darüber sind, dass wir zu G9 zurückkehren werden.
Was bedeutet G9 räumlich und personell?
Merschen: Beim Übergang von G8 zu G9 gingen ja keine Räume verloren, sondern es fiel ein Jahrgang weg, so dass unsere Schule immer noch die selben Raumkapazitäten hat wie unter G9. Insofern gibt es grundsätzlich keine Probleme. Ich muss allerdings zugeben, dass wir unter G8 einige Klassenräume einer anderen Nutzung zugeführt haben (als Fachräume, Sammlungsräume, Schülerbücherei etc.). Wir müssen nun sehen, ob wir diese „Annehmlichkeiten“ beibehalten können. Ich bin aber davon überzeugt, dass wir eine Lösung finden, die allen Anforderungen und Wünschen gerecht wird. Die personellen Konsequenzen des Wechsels zu G9 bestehen in einem erhöhten Personalbedarf durch eine Jahrgangsstufe mehr als unter G8. Dafür ist das Land zuständig. Die einzige Sorge, die ich habe ist die, ob der erhöhte Bedarf insbesondere in den Naturwissenschaften überhaupt zu decken ist. Das Land muss darüber nachdenken, wie der Lehrerberuf attraktiver gemacht werden kann.
Wie sieht Ihre Bilanz nach G8 aus?
Merschen: Ich war nie ein Freund von G8. Da die Verkürzung der Gymnasialzeit in der Sekundarstufe 1 erfolgte (von 6 Schuljahren unter G9 auf 5 unter G8), gab es dort auch die meisten Probleme. Die Progression, vor allem in den schriftlichen Fächern, ist für manche Schüler zu hoch. Für die sehr guten Schüler ist das kein Problem, für schwächere Schüler, die einfach mehr Zeit benötigen, ist es eines. In der Oberstufe wiederum stellen wir fest, dass für manche Schüler bestimmter Stoff zu früh kommt, weil sie noch nicht „reif genug“ sind. Eine Ungerechtigkeit sehe ich in der Tatsache, dass bei G8 der mittlere Schulabschluss (die „mittlere Reife“) am Gymnasium erst am Ende des ersten Jahres in der Oberstufe (EF) vergeben wird. Hintergrund ist die gesetzliche Bestimmung, dass ein Schüler bis zum mittleren Schulabschluss zehn Schuljahre absolviert haben muss. An der Realschule wird der mittlere Schulabschluss nach der 10. Klasse vergeben mit einem Kenntnisstand, den die Gymnasiasten bedingt durch die verkürzte Schulzeit in der Sekundarstufe 1 schon nach Klasse 9 haben müssen.
Wo sehen Sie persönlich die Vorteile von G9?
Merschen: Die Rückkehr zu G9 darf nicht dazu führen, dass wieder zusätzlicher Stoff verpflichtend wird, sondern es muss Ziel sein, wieder Zeit zu haben zur Vertiefung und zum Üben. Sehr gute Schüler werden wie in früheren G9-Zeiten die Möglichkeit haben, eine Klasse zu überspringen und ihr Abitur nach acht Jahren zu erreichen. Die verlängerte Schulzeit unter G9 wird den Schülern auch die Berufsfindung erleichtern und die Zahl der Auslandsaufenthalte in der EF wieder erhöhen. Durch G9 wird es für Schüler wieder einfacher, Freizeitangebote in Vereinen und schulische Angebote wie Chor und Orchester u.a. wahrzunehmen. Die Balance zwischen Schule und sinnvoller Freizeitgestaltung wird einfacher zu realisieren sein. Im besten Fall führt G9 zu besser motivierten und zufriedeneren Schülern und auch die Familien werden durch G9 entlastet werden.
Erschienen im SuperMittwoch, 31.01.2018