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Ein Kampfsportler trainiert Schülern Mut an

Eine gewollte Keilerei zettelt Uwe Göbkes auf dem Schulhof des Baesweiler Gymnasiums an. Training verfolgt vielfältige Ansätze.

VON SIGI MALINOWKI

BAESWEILER Am frühen Morgen durchdringen Schreie die Ruhe am Baesweiler Gymnasium. Ein Pulk von Menschen knubbelt sich ineinander. Autofahrer bremsen auf der Jülicher Straße, Passanten bleiben einen Moment stehen. Was ist da los? Es sieht beunruhigend aus.

Das ist es aber beim näheren Hinsehen nicht. Die scheinbare „Keilerei“ am Schulhof ist gewollt. „Macht Euch bemerkbar, schreit. Erzielt Aufmerksamkeit!“ Mit diesen Sätzen stachelt Trainer und Ausbilder Uwe Göbkes 15-jährige Schüler und Schülerinnen an. Und fordert sie gleichzeitig auf, das bei ihm Erlernte nun umzusetzen. Göbkes ist selbstständiger Kampfkunstsportler.

„Personenschutz für Kinder“

An diesem Morgen hat er zwei 9er Klassen des Gymnasiums zu Trainingsstunden gebeten. Diese richtet er im Auftrag des Vereins PS4Kids aus, also „Personenschutz für Kinder“. Der Verein gründete sich auf Initiative der Eheleute Thorsten und Corinna Mohr aus Würselen. Gian Luca Mohr berichtete seinen Eltern im vergangenen Jahr von einem Vorfall in Setterich: Dort hatte ein Autofahrer versucht, aus einer Gruppe von drei Schülern einen Jugendlichen in ein Auto zu zerren. Das gelang aber nicht, der Täter flüchtete unerkannt, nachdem ein anderer Junge auf die Straße gelaufen war und Autofahrer zum Anhalten bewegte. Die Eheleute Mohr entschlossen sich daraufhin, einen Verein zu gründen und nahmen Uwe Göbkes mit ins Boot.

Die Motivation zur Gründung des Vereins, dem mittlerweile zwölf Funktionäre angehören, nennt Beisitzerin Tanja Fuchs-Pöttgens: „Schülerinnen und Schüler sollen im Falle eines Angriffs oder von Übergriffigkeit in ihrem Selbstbewusstsein gestärkt und handlungsbereit gemacht werden.“ Sie betont, es gehe ausdrücklich nicht darum, „Kampfmaschinen auszubilden, sondern das Selbstbewusstsein der Kids zu stärken“. Auch stelle sie heraus, „dass wir die Gruppenbildung und ein Wir-Gefühl fördern möchten“.

Junge Menschen haben nach Auffassung des Vereins in den beiden Jahren der Pandemie oft die Möglichkeit verloren, ihre sozialen Kontakte auszubauen. „Somit fehlen ihnen auch Entwicklungsschritte im sozialen Bereich“, ergänzt Thorsten Mohr, Vorsitzender des neuen Vereins. Eine Würselener Firma hat 1000 Taschenalarme für Notfälle gesponsert, die an die Kids verteilt werden. Corinna Mohr, die Bildungsbeauftragte des Vereins: „Wir sind weiterhin auf der Suche nach Unterstützern, um möglichst viele Schulen und Vereine zu erreichen.“

Es gehe zudem darum, „den Verein regional bekannt zu machen und Jugendliche in Schulen und anderweitigen Veranstaltungen abzuholen und für die Gefahren empfänglich, aber nicht ängstlich zu machen“, erklärt Christian Sachse. Er ist ebenso wie seine Kollegin Franca Gatto Lehrkraft am Gymnasium. Die Schule unterstützt die Intention des Vereins aktiv. Die hohe Beteiligung an den Ausbildungs- und Trainingsstunden unterstreicht, dass das Projekt bei den Schülerinnen und Schülern ankommt. So sagt beispielsweise Mohamed Amin el Majdaubi, der trotz einer Fußverletzung mit Eifer beim Training ist: „Das Training ist sehr sinnvoll und lehrreich. Vor allem die Tipps, wie man sich in solchen Gefahrenfällen verhalten sollte.“ Das Wissen hat der 14-Jährige auch an seine jüngeren Geschwister (4, 7, 12) weitergegeben.

In den Abwehrmodus gehen

Derweil animiert Uwe Göbkes, 51, Inhaber der Schule UG Sports, den 14-jährigen Nico Mönch bei dem Training, in den „Abwehrmodus“ zu gehen. „Komm, greif mal richtig zu“, fordert der Trainer den Burschen auf, den erlernten Handgelenkshebel anzusetzen. So unerfahren ist Nico nicht. „Ich mache Boxtraining in Alsdorf und besuche regelmäßig ein Fitnessstudio“, sagt der sehr talentierte Junge aus der Klasse 9c. An anderer Stelle lässt sich Corinna Mohr von Schülerin Sofia Fischer regelmäßig im „Dauerfeuer“ gegen die Handflächen stoßen oder die Arme wegschlagen. Selbst Hausmeister Luis Casielles schaut fasziniert zu, obwohl der gebürtige Spanier mindestens drei Kampfsportarten (unter anderem Hapkido) selbst beherrsche. Immer wieder bringt Uwe Göbkes den jungen Auszubildenden bei: „Ihr braucht Mut, ohne Mut geht es nicht!“ Aber er lässt genauso oft einfließen: „Wir wollen keine Schläger ausbilden.“ Trotz der Intensität des Trainings und der Ernsthaftigkeit, die dahintersteckt: Die Schüler und Schülerinnen haben an diesem Morgen Spaß bei der Sache.

(erschienen in den Aachener Nachrichten, 20.10.2022)