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Der steinige Weg zur neuen Schule

Das Gymnasium Baesweiler feiert 50. Geburtstag. Bis es im August 1971 los ging, waren viele Hürden zu bewältigen. 

von Günther von Fricken 

BAESWEILER Im August 1971 begannen die ersten beiden Klassen am Gymnasium Baesweiler mit dem Unterricht. Doch der Weg dahin war ziemlich holprig. Aus politischer Sicht war die Gründung der Schule  eher eine „Liebe auf den zweiten Blick“, wie ein Blick in die Geschichte verrät.

In den 1960er Jahren gehörte Baesweiler noch zum Kreis Geilenkirchen-Heinsberg. Die kommunale Neugliederung mit der Eingliederung von Setterich, Loverich, Floverich und Puffendorf stand noch bevor, und ihre möglichen Ergebnisse waren völlig offen.

Der Blick in das Stadtarchiv zeigt: Baesweiler hatte nach Übach-Palenberg die meisten Schüler im Kreis, nämlich stolze 1156. Die nächst größeren Orte Geilenkirchen und Heinsberg hatten nur um die 500 Schüler. Das aus heutiger Sicht aber Erstaunliche ist, dass es in Baesweiler keine einzige weiterführende Schule gab. Alle Gymnasien im Umkreis, nämlich Alsdorf, Herzogenrath, Geilenkirchen und Heinsberg, bestanden schon seit den 1930er Jahren. Seitdem herrschte Stillstand. Aber die Zeiten hatten sich geändert, in den Sechzigern wurden überall in Deutschland geradezu explosionsartig neue Realschulen und Gymnasien gegründet. In Baesweiler ergriff die CDU die Initiative und stellte einen Antrag, spätestens ab 1. April 1967 in Baesweiler eine Realschule einzurichten.

Niedriger Anteil an Kindern

„Dies ist ironischerweise das früheste Dokument zum 1971 gegründeten Gymnasium in Baesweiler, ironischerweise deswegen, weil der Begriff Gymnasium ja gar nicht darin vorkommt“, erklärt Wolfgang Backhaus, Vorstandsmitglied des Geschichtsvereins Baesweiler. In dem Antrag wurden die entscheidenden Gründe für die Initiative genannt: Der im Landesvergleich niedrige Anteil an Kindern, die weiterführende Schulen besuchen (12 Prozent in Baesweiler, 25 Prozent angestrebt für den Bund).

Ein zweites Motiv war die Sorge, nicht mit anderen vergleichbaren Gemeinden Schritt halten zu können. Der Antrag der CDU stieß jedoch im Gemeinderat nicht nur auf Gegenliebe.

Nicht zuletzt die Schulleiter der Volksschulen stellten sich quer: „Rektor Klein als Vertreter der Lehrerschaft im Rat forderte, erst müssten die Volksschulen mit den nötigen Räumen für die gerade eingeführte 9. Klasse ausgestattet werden. Auch stünden für den naturwissenschaftlichen Unterricht zu wenig Fachräume zur Verfügung. Er wurde dabei von der SPD unterstützt. Als Gemeinderatsmitglied Derichs (CDU) eine sofortige Abstimmung durchsetzte, wurde der Antrag mit 12 zu 12 Stimmen abgelehnt“, erinnert Backhaus an die damalige Zeit.

Erst ein Jahr später stellte die Gemeinde einen „Antrag auf Einrichtung einer Realschule bzw. eines Gymnasiums“. Gleichzeitig sollte eine gewerbliche Berufsschule nach Baesweiler kommen (Beschluss vom 30. Mai 1967).

Bei den internen Beratungen im Schulamt ergab sich aber, dass vonseiten des Kreises Geilenkirchen-Heinsberg dem Antrag wenig Aussicht auf Erfolg eingeräumt wurde. Man habe nämlich bei der Einrichtung der Realschule in Setterich und beim ebenfalls neuen Gymnasium Übach-Palenberg die Schülerschaft Baesweilers als jeweils zugehöriges Einzugsgebiet eingerechnet.

Der Gemeinderat der sogenannten „Schnellwachsgemeinde“ Setterich (der Kinderanteil in Setterich war doppelt so hoch wie im Landesdurchschnitt) hatte im Juli 1964 die Errichtung einer Realschule beschlossen, die schon ein Jahr später ihre Arbeit aufnahm. Sicherlich war dabei hilfreich, dass ein „Settericher Jung“, nämlich Josef Loogen, im Regierungspräsidium Aachen Leiter der Realschulabteilung war.

„Die 1965 eingerichtete Realschule Setterich, damals selbständige Gemeinde und wesentlich kleiner als Baesweiler, sollte also Baesweiler daran hindern, eine Realschule zu bekommen? So abwegig das aus heutiger Sicht auch scheinen mag, damals war es die bittere Wahrheit“, blickt Backhaus im Gespräch mit unserer Zeitung zurück. Blieb also die gewerbliche Berufsschule. Aber dieser Antrag wurde ebenfalls zunächst abgelehnt. Die Begründung: Im nur neun Kilometer entfernten Geilenkirchen sei schon eine Berufsschule.

Zwei Jahre Bauzeit

Doch die Baesweiler Verantwortlichen gaben nicht auf, und nach verschiedenen Gesprächen wurde am 1. Juli 1968 offiziell der Auftrag an den Architekten Hensen aus Aachen erteilt, eine Planung für diese Berufsschule vorzulegen. Die Bauzeit betrug gut zwei Jahre, und mit dem Schuljahr 1971/72 konnte der Schulbetrieb aufgenommen werden. Zugleich hatte die Stadt Baesweiler offensichtlich so gute Erfahrungen mit dem Architekten gemacht, dass er auch mit der späteren Planung des Gymnasiums beauftragt wurde.

Aber wo blieb das Gymnasium? Diese Frage beantwortet Wolfgang Backhaus mit Blick in die Historie so: Kaum ist die Berufsschulfrage gelöst, schreibt Amtsdirektor Vaahsen am 2. September 1968 an den Kreis Geilenkirchen einen Brief mit frischen Zahlen von den Übergängen Baesweiler Schüler auf Realschulen (56 Schüler) und Gymnasien (64 Schüler).

Diese sollen belegen, dass, wenn schon keine Realschule nach Baesweiler käme, dann doch sehr wohl ein zweizügiges Gymnasium errichtet werden könne. Am Ende des Schreibens wird noch einmal auf die öffentliche Kritik am Fehlen jeglicher weiterführender Schulen in Baesweiler hingewiesen.

Am 21. März 1969 stellte die Gemeinde den offiziellen Antrag an das Kultusministerium NRW auf Errichtung eines mathematisch-naturwissenschaftlichen und neusprachlichen Gymnasiums, der im Mai 1970 tatsächlich genehmigt wurde. Weil aber die Anmeldefrist für das kommende Schuljahr schon abgelaufen war, konnte der Unterricht erst im darauf folgenden Schuljahr mit zwei Klassen beginnen.

17 Millionen D-Mark

35 Mädchen und 40 Jungen wurden unter Leitung von Paul Ganser in die Klasse 5 eingeschult. Am 8. November 1975 folgte die offizielle Übergabe des 2. Bautraktes, genutzt als naturwissenschaftlicher Trakt. Am 14. Januar 1977 gab es die Übergabe der Trakte III und IV, die einen Klassentrakt mit dem Pädagogischen Zentrum bilden. Die Sporthalle wurde am 5. November 1977 übergeben, so dass bei Baukosten von 17 Millionen D-Mark am 12. Mai 1978 das Gymnasium der Stadt Baesweiler nach seiner vorerst vollständigen Fertigstellung seiner Bestimmung übergeben werden konnte.

Weitere Daten in der Chronik sind am 29. August 1985 die Einweihungsfeier des Erweiterungsbaus des naturwissenschaftlichen Traktes mit Biologie- und Chemiebereich sowie weiteren Klassenräumen und am 16. Mai 2014 der Abschluss der energetischen Sanierung, womit das Gymnasium den Standard eines Passivhauses erreicht hat. Als Schulleiter folgten bis heute auf Paul Ganser Arno Kähmer, Irene Jenniches, Wilhelm Merschen, Birgit van den Berghen (kommissarisch) und Markus Fabricius seit Februar dieses Jahres.

Das Jubiläum der Schule, die aktuell von rund 900 Schülern besucht wird, soll natürlich im nächsten Schuljahr 2021/22 gebührend gefeiert werden. Wobei natürlich auch hier gilt: Gefeiert wird so, wie es die Coronavirus-Verordnungen jeweils zur geplanten Veranstaltung zulassen.

Um die Gestaltung kümmert sich ein Team mit Anne Bertram, Paulina Kania, Lisa Reindl, Christian Sachse, Peter Pergens, Imke Peters und Lara Brinkord, während Rita Barbier, Margret Odenkirchen, Wilhelm Merschen, Stefan Schaum, Giuseppe Marinotti und Tobias Dahmen das Projekt Festschrift übernommen haben.

Los geht es gleich zu Beginn des neuen Schuljahres im August mit einer Motto-Woche. Für September/Oktober ist eine digitale Open-Air-Filmvorführung geplant. Im November/Dezember stehen eine historische Ausstellung und eine Vernissage auf dem Programm, gefolgt vom Chor- und Orchesterkonzert im Februar und April. Aufführungen der Literaturkurse und den 2019 wieder belebten Sponsored Walk soll es im Mai geben, ehe vor den Sommerferien 2022 ein Schulfest und eine Party mit dem Motto 70er Jahre steigen soll.

(erschienen in der Aachener Zeitung, 08.05.2021)